Maßnahmen zur Stärkung der Opfer von Straftaten
Die Stärkung der Opfer von Straftaten setzt voraus, dass diese überhaupt ihre Rechte und Ansprüche kennen. Kontaktpersonen und Fachleute, die mit den Opfern von Straftaten in Kontakt treten, sollen diese daher zwingend über ihre Rechte und ihren Zugang zu einer Entschädigung informieren. Ferner sollen sie geschult und entsprechend sensibilisiert werden, um Straftaten zu erkennen und in angemessener Weise damit umgehen können, um den Opfern die Angst vor dem Täter oder den möglichen negativen Folgen einer Anzeige und der Teilnahme am Strafverfahren zu nehmen.
Die Kommission wird eine EU-Sensibilisierungskampagne für die Rechte der Opfer einleiten und fachliche Schulungsmaßnahmen fördern, um allen Opfern von Straftaten – unabhängig von ihrem Hintergrund - die Möglichkeit zum Zugang zu Justiz und Unterstützung zu garantieren.
Durch allgemeine Informationskampagnen über Opferrechte und interaktive Websites sollen Opfer von Straftaten besser über die nationalen Entschädigungsregelungen informiert werden.
Strafverfolgungsbehörden sollen mit Unterstützung der Kommission und der Agentur der Europäischen Union für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (CEPOL) eine bessere Kommunikation sowie ein besseres Verständnis der Rechte und Opfer entwickeln.
Die hohe Qualität des Schutzes und die Zuverlässigkeit der Informationen über die Rechte der Opfer soll in Zusammenarbeit mit der Kommission, den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Justizportal weiter verbessert werden. Die Datenbank wird sodann einem breiten Spektrum an Endnutzer*innen zur Verfügung stehen, dazu gehören Opfer, Opferschutzorganisationen und nationale Behörden.
Die Opferrechte sollen unabhängig vom Aufenthaltsstatus der Opfer in nichtdiskriminierender Weise gelten, dies gilt auch für unbegleitete Minderjährige.
Intensive Zusammenarbeit der nationalen Behörden mit den entsprechenden Organisationen sowie ethnischen, religiösen und anderen Minderheitsgemeinschaften soll eine zielgerichtete und integrierte Unterstützung für schutzbedürftige Opfer bieten.
Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, ihre einzelstaatlichen Entschädigungsregelungen opferfreundlicher zu gestalten, indem sie die Vorschriften über den Zugang zur Entschädigung vereinfachen und die verfügbaren Entschädigungssummen durch Anpassung der nationalen Haushalte erhöhen, um eine gerechte und angemessene Entschädigung der Opfer zu ermöglichen.
Außerdem will die Kommission die Umsetzung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften, namentlich der Entschädigungsrichtlinie und des Rahmenbeschlusses über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen, strenger überwachen.
Maßnahmen zur gemeinsamen Förderung der Rechte von Opfern
Die Kommission will außerdem eine Verbesserung der Koordinierung und Zusammenarbeit innerhalb der EU und soweit wie möglich auch global erreichen, um für Opfer von Straftaten den Zugang zur Justiz zu gewährleisten.
Sie will hierfür eine Plattform für Opferrechte etablieren, über die sich alle Beteiligten vernetzen, die sich auf EU-Ebene mit Opferrechten befassen.
Zusätzlich hierzu soll ein neu zu benennender Koordinator für Opferrechte die Kohärenz und Wirksamkeit der verschiedenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Politik im Bereich der Opferrechte und das reibungslose Funktionieren der Plattform für Opferrechte sicherstellen.
Außerdem soll die Zusammenarbeit mit internationalen und regionalen Partnern wie den Vereinigten Nationen und dem Europarat gestärkt werden, um hohe internationale Standards für Opferrechte zu fördern.
Mit dem Einsatz von EU-Finanzmitteln und der Fortführung des politischen Dialogs sollen Opferrechte international gefördert und geschützt werden, um den Opfern in den Partnerländern den Zugang zur Justiz zu gewährleisten.
Maßnahmen zur Stärkung der Opferschutzgruppe Frauen, Kinder und Jugendliche
Um die Opfer von Straftaten und ihre Familienangehörigen vor weiterer Gewalt zu schützen, prüft die Kommission die Einführung von Mindeststandards für den physischen Schutz der Opfer im nationalen Recht, einschließlich der Mindestanforderungen für die Erteilung und die Ausgestaltung von Schutzmaßnahmen in Zeiten der COVID-19-Pandemie.
Für den Schutz kindlicher Opfer ist es von entscheidender Bedeutung, spezielle Meldemechanismen von Straftaten zu gewährleisten und in den Verfahren mit größter Sorgfalt vorzugehen, um zu vermeiden, dass sie sekundäre Viktimisierung erfahren.
Weil Kindern meist die erforderlichen digitalen Kompetenzen fehlen und sie mangelnde Kenntnis über die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel haben, soll ihnen die notwendige Hilfe bei der Erstattung von Anzeigen im Bereich der Cyberkriminalität gewährleistet werden.
Speziell auf Kinder bezogene EU-Vorschriften sollen im Rahmen der Opferschutzrichtlinie umgesetzt werden. Zudem will die Kommission die Überwachung der nationalen Rechtssysteme in Bezug auf ihre Kinderfreundlichkeit verstärken. Dies soll u.a. durch die für 2021 geplante, und zieht dafür die umfassende Strategie für das Kindesrecht geschehen, die gezielten Maßnahmen für Kinder enthalten wird. Einen wichtigen Stellenwert kommt dabei der institutionellen Förderung von Kinderhäusern zu.
Die Kommission beabsichtigt des Weiteren, noch 2020 eine gezielte Strategie für einen wirksameren Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern anzunehmen, welche Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen umfassen wird.
Weiterhin soll die Spotlight-Initiative der Europäischen Union und der Vereinten Nationen zur Bekämpfung aller Formen von Gewalt an Frauen und Mädchen, sowie das weltweite Bündnis zur Beendigung der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Internet „WeProtect“ unterstützt werden.
Daneben soll die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden und der Industrie ausgebaut und vertieft werden, um Darstellungen von sexuellen Missbrauch von Kindern im Netz schneller aufzudecken und zu entfernen.
Maßnahmen zur Stärkung der Opferschutzgruppe ältere Menschen
Für ältere Menschen ist es von entscheidender Bedeutung, speziell auf sie zugeschnittene Meldeverfahren für Straftaten einzurichten, um ihnen geeignete Unterstützungs- und Schutzmaßnahmen anzubieten.
Weil älteren Menschen häufig die erforderlichen digitalen Kompetenzen fehlen und sie mangelnde Kenntnis über die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel haben, soll für sie die notwendige Hilfe bei der Erstattung einer Anzeige zur Cyberkriminalität sichergestellt werden.
Maßnahmen zur Stärkung der Opfer mit Behinderungen
Bei Opfern mit Behinderungen ist insbesondere zu beachten, dass die zuständigen Fachleute mit ihnen auf eine Weise kommunizieren, die die geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen berücksichtigt.
Die Barrierefreiheit soll gewährleistet werden, damit Opfer mit Behinderungen Straftaten anzeigen und an Strafverfahren teilnehmen können.
Maßnahmen der EU-Strategie, die die körperliche, kognitive und psychische Genesung, die Rehabilitation und soziale Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen umfassen, sollen den Standards des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen entsprechen.
Maßnahmen zur Stärkung der Opfer von häuslicher Gewalt
Opfern von häuslicher Gewalt sollen jederzeit Zugang zu Schutzmaßnahmen geboten werden, dazu zählen insbesondere Unterkünfte, telefonische Beratungsdienste und psychologische Hilfe. Um die Belastbarkeit der Strukturen zur Unterstützung von Opfern auch in Krisensituationen sicher zu stellen, sollen diese auch in die Pandemie-Notfallpläne integriert werden.
Ein wirksamer Zugang zu vertraulichen, kostenfreien und den individuellen Bedürfnissen der Opfer entsprechenden Online- und Offline-Opferunterstützungsdiensten, wie psychologische, emotionale sowie auf medizinische Leistungen verweisende Hilfe und andere soziale Dienstleistungen sollen gewährleistet werden, insbesondere zu Zeiten der COVID-19-Pandemie.
Die nationalen Strafverfolgungsbehörden sollen außerdem alle bekannten und neuen Fälle häuslicher Gewalt besonders aufmerksam überwachen. Dabei soll der physische Schutz der Opfer – insbesondere derer, die in einen anderen Mitgliedstaat reisen oder sich dort niederlassen – absolute Priorität haben.
Insbesondere die Zivilgesellschaft soll in der Unterstützung und den Schutz der Opfer von häuslicher Gewalt einbezogen werden.
Risiken der sekundären Viktimisierung, der wiederholten Viktimisierung, der Einschüchterung und der Vergeltung sollen mit besonderer Aufmerksamkeit und Schutz entgegengewirkt werden. Dazu wird die Kommission unter anderem ein EU-Netz zur Verhütung von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt einrichten.
Maßnahmen zur Stärkung der Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt
Die Kommission setzt sich im Rahmen der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025 für die Beendigung der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen und Mädchen Dazu gehören Maßnahmen wie der Beitritt der EU zum Übereinkommen von Istanbul sowie alternative Legislativmaßnahmen, die das gleiche Ziel verfolgen.
Mitgliedstaaten werden ermutigt, Familienhäuser einzurichten, die gezielte und ganzheitliche Unterstützung für Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt bieten.
Die Kommission beabsichtigt, 2020 eine gezielte Strategie für einen wirksameren Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern anzunehmen, welche Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen umfassen wird.
Unterstützt werden sollen außerdem weiterhin internationale Fonds für Überlebende von konfliktbedingter sexueller Gewalt.
Maßnahmen zur Stärkung der Opfer von Cyberkriminalität
Die Anzeige von Cyberkriminalität soll erleichtert werden, um Opfer zu ermutigen, Straftaten anzuzeigen und somit die erforderliche Unterstützung zu erhalten. Unter anderem soll erlittener Schaden wiedergutgemacht werden.
Die Kommission wird Maßnahmen zum Schutz der Opfer von geschlechtsspezifischer Cyberkriminalität ergreifen, insbesondere durch die Förderung der Ausarbeitung eines Rahmens für die Zusammenarbeit zwischen Internetplattformen und anderen Interessengruppen.
Maßnahmen zur Stärkung der Opfer von Terrorismus
Opfern von Terrorismus sollen in den einzelnen Mitgliedstaaten die notwendige Unterstützung, der Schutz und die Anerkennung Insbesondere bei grenzüberschreitenden Straftaten, sollen sie bei der Geltendmachung ihrer Rechte unterstützt werden.
Das im Januar 2020 für zwei Jahre gestartete Pilotprojekt „EU-Kompetenzzentrum für Terroropfer“ der Kommission wird Beratungs- und Schulungsaktivitäten zu den Rechten und Bedürfnissen der Opfer von Terrorismus anbieten, die sich auf die bewährten Verfahren der betroffenen Mitgliedstaaten stützen. Bei reibungslosen Ablauf wird die Kommission Ende 2021 die Notwendigkeit einer Fortführung prüfen.
Zur Unterstützung von Terroropfern wird die Kommission weiterhin Initiativen und Projekte der Vereinten Nationen unterstützen. Beispiele dazu sind die von Afghanistan und Spanien geleitete „Group of Friends of Victims of Terrorism“ oder der weltweite Kongress der Opfer von Terrorismus.
Maßnahmen zur Stärkung der Opfer von Hassdelikten (rassistisch, fremdenfeindlich, homophob)
Intensivere Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und den betroffenen Gemeinschaften ist gleichermaßen bedeutsam wie die spezifische Schulung über Diskriminierung für die Polizei und andere Kontaktpersonen, um das Vertrauen in die Behörden zu steigern und die Opfer von Hassdelikten zur Anzeige von Straftaten zu ermutigen.
Initiativen der Kommission gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zielen insbesondere darauf ab, die Anzeige von Hassdelikten zu fördern sowie die genaue Untersuchung von Vorurteilen als Motiv für Straftaten und die Unterstützung für Opfer von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu verbessern. Des Weiteren sollen Leitprinzipien über die Gewährleistung des Zugangs der Opfer von Hassdelikten und Hetze zu Recht und Gerechtigkeit, Schutz und Unterstützung umgesetzt werden.
Die Kommission wird die Mitgliedstaaten weiterhin bei der Entwicklung nationaler Strategien zur Bekämpfung von Antisemitismus unterstützen, um antisemitische Hassdelikte möglichst zu unterbinden und etwaige Opfer zu stärken und zu schützen.
Eine Initiative mit Maßnahmen zur Gleichstellung und Inklusion der Roma sowie der geplanten LGBTI+ Gleichstellungsstrategie wird von der Kommission erarbeitet.
Die Hochrangige EU-Gruppe zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und anderen Formen der Intoleranz hat beschlossen, zur Unterstützung der nationalen Behörden zwei zusätzlich Arbeitsgruppen einzurichten: zum einen die Arbeitsgruppe zum Thema Schulung von Strafverfolgungsbehörden in Bezug auf Opfer von Hassdelikten und zum anderen die Arbeitsgruppe zur Unterstützung der Opfer von Hassdelikten, die eng mit der Kommission zusammenarbeiten sollen. Dabei soll den ethnischen Gruppen und Minderheiten besondere Aufmerksamkeit zukommen.
Maßnahmen zur Stärkung der Opfer von Straftaten in Hafteinrichtungen
Zum Schutz und zur Unterstützung von Opfern in Hafteinrichtungen will die Kommission verschiedene Mittel und Maßnahmen prüfen. Hierzu gehören unter anderem unabhängige Stellen für Hafteinrichtungen, die Straftaten in Haft untersuchen.
Im Rahmen der Strategie der europäischen justiziellen Aus- und Fortbildung soll außerdem die entsprechende Schulung des Strafvollzugspersonals gefördert werden.
Maßnahmen zur Stärkung der Opfer organisierter Kriminalität
Um insbesondere der häufigsten Opfergruppe von organisierter Kriminalität besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, soll den Opfern von Menschenhandel Hilfe, Unterstützung und Schutz gewährleistet werden. Dazu erarbeitet die Kommission einen neuen strategischen Ansatz zur Beseitigung des Menschenhandels im Rahmen der Sicherheitsunion.
Maßnahmen der EU-Strategie, die die Beseitigung des Menschenhandels umfassen, sollen in der bevorstehenden Initiative zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität weiterentwickelt werden.
Auch bei Opfern von Umweltkriminalität sollen Risiken zur sekundären Viktimisierung, Einschüchterung und Vergeltung vermieden werden, indem der Zugang zu spezialisierten Unterstützungsdiensten und Schutz gewährleistet wird.